«Lex Netflix»: Referendum gegen neue Pflichten für VoD-Anbieter in revidiertem Schweizer Filmgesetz


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Mit einer Revision des Filmgesetzes sollen Anbietern von Video-On-Demand (VoD) Diensten neue Pflichten auferlegt werden. Die inoffiziell als «Lex Netflix» bezeichnete Vorlage wurde vom Parlament in der Herbstsession 2021 verabschiedet und verlangt von VoD-Anbietern künftig, mindestens 30% europäische Filme in das Angebot aufzunehmen und besonders zu kennzeichnen. Zugleich verlangt die Revision von VoD-Anbietern, gleichermassen wie von «klassischen» TV-Unternehmen, Investitionen zugunsten des unabhängigen Schweizer Filmschaffens, und zwar in der Höhe von 4% der jährlichen Bruttoeinnahmen. Mit den Neuerungen wird eine Angleichung an die EU-Richtlinie über die audiovisuellen Mediendienste (AVMD-Richtlinie) angestrebt, die für die EU-Mitgliedstaaten verpflichtend ist. Die Vorlage blieb jedoch nicht von Kritik verschont und es wurden am 20. Januar 2022 die erforderlichen Unterschriften für das Referendum eingereicht. Aller Voraussicht nach wird daher die Schweizer Stimmbevölkerung am 15. Mai 2022 über die «Lex Netflix» abstimmen.

«Lex Netflix» als Teil der Kulturförderung

Die Revision des Schweizer Filmgesetzes ist Teil eines Massnahmenpakets zur «Förderung der Kultur in den Jahren 2021-2024» und geht auf die «Kulturbotschaft» des Bundesrats vom Februar 2020 zurück. Neben Neuerungen im Filmgesetz sind darin namentlich auch Änderungen im Kulturförderungs-, im Kulturgütertransfer- und im Sprachengesetz enthalten. Demgegenüber ist die Vorlage zur Medienförderung, über welche die Bevölkerung bereits im Februar 2022 abstimmt, nicht Bestandteil dieses Massnahmenpakets.

Vor diesem Hintergrund bezweckt das revidierte Filmgesetz mitunter die Stärkung der Schweizer Filmkultur sowie die Förderung der Vielfalt und Qualität des Filmangebots. Die Vorlage will namentlich auch der rasanten Änderung des Medienkonsumverhaltens Rechnung tragen. Angestrebt wird zudem eine Angleichung an die Revision der EU-Richtlinie für audiovisuelle Mediendienste (AVMD-Richtlinie; vgl. dazu MLL-News vom 09.12.2018), um die Voraussetzung für eine Teilnahme der Schweiz am Programm «Kreatives Europa» zu schaffen.

Zu diesem Zweck enthält die Vorlage mehrere neue Pflichten zulasten von «Unternehmen, die in der Schweiz Filme über elektronische Abruf- oder Abonnementsdienste anbieten», also namentlich Streaming-Plattformen wie Netflix und andere Video-on-Demand-Anbieter. Auf diese wird nachfolgend näher eingegangen.

Investitionspflicht von 4% der Bruttoeinnahmen

Online-Anbieter von Filmen haben bis anhin im Unterschied zu traditionellen Fernsehunternehmen keine Förderpflicht für das Schweizer Filmschaffen. In Anbetracht der Verschiebung des Filmkonsums auf Online-Kanäle will das Parlament dieses Ungleichgewicht zwischen traditionellen Akteuren und Online-Anbietern ausgleichen. Dies soll im revidierten Filmgesetz durch eine neue Investitionspflicht erreicht werden.

Die Revision sieht daher vor, dass Unternehmen, welche in der Schweiz Spielfilme in ihren Programmen ausstrahlen oder als Video-on-Demand-Angebot zur Verfügung stellen, jährlich mindestens 4% ihrer Bruttoeinnahmen für das unabhängige Schweizer Filmschaffen ausgeben (Art. 24n Abs. 1 E-FiG). Alternativ zu den verlangten Investitionen kann auch eine Abgabe an das Bundesamt für Kultur (BAK) bezahlt werden. Diese Ersatzabgabe wird fällig, wenn die Investitionspflicht im Mittel über einen Zeitraum von vier Jahren nicht erreicht wird. Die neuen Bestimmungen regeln ferner detailliert, welche Aufwendungen anrechenbar sind.

Eine entsprechende Regelung enthält auch die EU-Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste, welche vorsieht, dass Video-on-Demand-Anbietern eine finanzielle Verpflichtung zur Förderung des Filmschaffens auferlegt werden kann (siehe MLL-News vom 09.12.2018). Sofern sich ein Unternehmen an das Schweizer Publikum richtet, gilt diese Verpflichtung auch für Unternehmen mit Sitz im Ausland. Ihre Investitionspflicht erstreckt sich allerdings nur auf den in der Schweiz erzielten Bruttoerlös. Für kleine Unternehmen sieht das Gesetz verbindliche Untergrenzen vor, die sie von der Investitionspflicht befreien.

Quote von 30% für europäische Filme

Umstritten ist ferner die in der Vorlage enthaltene Quotenregelung zugunsten von europäischen Filmen. Danach müssen Unternehmen, die in der Schweiz Filme über elektronische Abruf- oder Abonnementsdienste anbieten, sicherstellen, dass mindestens 30% der Filme aus europäischer Produktion sind (Art. 24a Abs. 1 E-FiG). Diese Filme sind besonders zu kennzeichnen und müssen gut auffindbar sein. Mit dieser Bestimmung soll die Angebotsvielfalt gefördert werden und erfolgt ebenfalls eine Angleichung an die EU-Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste, welche ebenfalls eine Quote von 30% zugunsten von europäischen Filmen vorsieht (MLL-News vom 09.12.2018).

Die Regelung gilt wiederum auch für Unternehmen mit Sitz im Ausland, die sich an das Schweizer Publikum richten. Das revidierte Filmgesetz sieht aber auch hier gewisse Ausnahmen von dieser Verpflichtung vor (vgl. Art. 24a Abs. 3 E-FiG). Ebenfalls soll von der Verpflichtung abgesehen werden, wenn sie für das Unternehmen unverhältnismässig oder unmöglich ist, namentlich wegen der Art der angebotenen Filme, der thematischen Ausrichtung des Angebots oder weil Angebote Dritter unverändert angeboten werden.

In der Vernehmlassung wurde teilweise gefordert, dass innerhalb der europäischen Quote auch ein angemessener Anteil aus Schweizer Filmen bestehen müsse. Nach Ansicht des Bundesrats hätte dabei aber, um im Einklang mit den Vorgaben des EU-Rechts zu bleiben, auf die Landessprache abgestellt werden müssen, was nicht als sinnvoll erachtet wurde. Folglich wurde darauf verzichtet, eine entsprechende «Subquote» vorzuschreiben.

Registrierungspflicht im öffentlichen Register des Bundes

Sämtliche Unternehmen, die Schweizer Filme in ihren Programmen zeigen oder in ihren Video-on-Demand-Angeboten bereitstellen, sind nach der Revision ferner verpflichtet, sich in ein öffentliches Register des Bundes eintragen zu lassen (Art. 24g E-FiG). Ist ein Unternehmen nicht im Schweizer Handelsregister eingetragen, muss es zusätzlich ein Zustellungsdomizil in der Schweiz angeben und die verantwortlichen Person benennen.

Jährliche Berichterstattung an das Bundesamt für Kultur

Unternehmen, die Schweizer Filme in ihren Programmen zeigen oder in ihren Video-on-Demand-Angeboten bereitstellen, haben dem BAK künftig auch jährlich Bericht über ihre Quotenerfüllung und Investitionsverpflichtung zu erstatten. Zudem sind sie verpflichtet, dem Bund die Anzahl der Abrufe pro Film zu melden. Diese Daten werden periodisch veröffentlicht.

Referendum und mögliche weitere Pflichten

Gegen das revidierte Filmgesetz wurde das Referendum ergriffen. Am 20. Januar 2022 hat das Referendumskomitee die 50‘000 erforderlichen Unterschriften gegen die Revision des Filmgesetzes bei der Bundeskanzlei eingereicht. Aller Voraussicht nach wird daher die Schweizer Stimmbevölkerung am 15. Mai 2022 über die «Lex Netflix» abstimmen. Es bleibt deshalb abzuwarten, wie das Volk entscheiden wird und ob die Revision überhaupt in Kraft treten wird.

Darüber hinaus ist die weitere Entwicklung auch in anderen Bereichen des Filmrechts zu verfolgen. Denn auch in Bezug auf den Jugendschutz sollen Video-on-Demand-Anbieter verstärkt in die Pflicht genommen werden (siehe MLL-News vom 21.12.2020).

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